während verhandelt wird wer am meisten geholfen hat
in welcher Sprache zu reden ist
wo man Gedichte veröffentlichen soll und an welcher Ausschreibung teilnehmen
während man beleidigt tut und andere beleidigt
und irgendwo draußen Gedichte schreibt
verstecken sich Spießbürger vor den Schüssen
lernen von neuem zu zählen
eins zwei drei vier fünf
das Werbeschild im Haus gegenüber
erinnert an den Scheinwerfer eines KZs
im Film „Das Leben ist schön“
derart
dass ich es zerschlagen möchte
mit dem ersten Gegenstand der in die Hand gerät
[ es verstößt gegen die Verblendung ]
ein paar Tage im Modus <<Krieg>>
lassen versteinern
keine Angst mehr vor den Schüssen spüren
vor dem Beben des Hauses
ich schlafe ein zu den Meldungen einer erneuten Explosion
gut wäre es sich einfach unter eine warme Dusche zu stellen
die Beine auszustrecken
die ganze Nacht schlafend in einem Bett zu verbringen
ich liege zwischen den Schalen der Badewanne und der Decke
wie eine Jakobsmuschel oder eine Auster
nur dass ich keine Perle bin
die winzige Badewanne
erinnert an eine Puppenkiste
im Film „Greta“
in dem die Mutter
die an Überfürsorglichkeit litt
ihre Tochter in einer Kiste einschloss
am liebsten würde ich sagen: Hör zu, Welt,
ich bin brav, ich habe mich brav benommen,
mach auf, bitte
während verhandelt wird welche Sprache sich in der Literatur durchsetzt
dreht jemand durch am anderen Ende der Leitung
versucht Gott am Telefon zu erreichen
oder an wen sonst geht stundenlang das
hallo hallo hallo
lebend solange man sich im Griff hat
sich nicht auflöst zu einem flachen Wurzelwerk
Stockwerke höher
geraten Leute außer sich
lachen skandieren sowjetische Lieder
weinen
und wieder telefoniert irgendwer <<hallo>>
[ Text zweisprachig als PDF herunterladen >> ]
So direkt- ohne etwas dazwischenliegendes- macht wach und traurig zugleich – nacherlebbar
Susanne
Wunderbares Gedicht.