Polnisch für Anfänger
Die polnische Sprache! Es muss doch möglich sein, mit Fleiß, Ehrgeiz und einer guten Portion Humor hinter ihre Geheimnisse zu kommen!
So habe ich es mir letztes Jahr im Sommer gedacht und einen Polnisch-Intensivkurs bei der VHS Düsseldorf belegt. Einen Bildungsurlaub, was mir eine Woche Sonderurlaub auf der Arbeit bescherte. Dort: lange, ungläubige Gesichter: DU willst POLNISCH lernen?
Ja, ich will. Ich muss. Ich werde noch häufiger in Polen sein, deshalb. Ich hätte wohl ebenso sagen können: Ich möchte nächste Woche zum Mars fliegen, oder zum tiefsten Meeresgrund tauchen, die Gesichter wären dieselben gewesen.
Mit dem Sprachbuch „Witam“ mit beigefügter CD betrat ich an einem Montag Morgen den angegebenen Raum im angegebenen Gebäude in der Altstadt. Ich liebe es, neue Dinge – Gitarre spielen, Kochen oder eben Polnisch – in der Gruppe zu lernen, zeigt es mir doch, dass ich nicht der einzige Sturkopf bin, der nichts kapiert.
Die Kursleiterin ließ mich und die anderen davon aber nichts merken: Jedem Beitrag ließ sie überschwängliches, lang andauerndes, euphemistisches Lob folgen: „Bardzo dobrze! Bardzo, bardzo dobrze!“
Das erste Kapitel, da ging es noch, die Redewendungen darin hatte ich alle irgendwo schon mal gehört. Bei Kapitel zwei des Buches brachte ich schon kaum noch etwas zustande. Dennoch ließ die Leiterin verlautbaren: „Bardzo dobrze! Bardzo, baaardzo dobrze!“
Bei Kapitel drei weigerte ich mich zu antworten: Es handelte nämlich von all jenen Dingen, die in einem Hotel kaputt sein können, und das war so ziemlich alles. Der Deutsche, der an der Rezeption des polnischen Hotels steht und sich beschwert – nein, diesem Klischee (wenn es denn eines ist) wollte ich nicht entsprechen. Außerdem war in meinem Hotelzimmer bisher noch nichts kaputt gewesen. Es war zwar ein günstiges, spartanisch eingerichtetes Haus, aber warum hätte ich mich darüber beschweren sollen, schließlich hatte ich so gebucht.
Kapitel vier dann ließ mich verzweifeln. Hier ging es nämlich mit der polnischen Grammatik los. Und die unterscheidet sich ganz gewaltig von der deutschen. Für mich: zu gewaltig! Ich unternahm gar nicht erst den Versuch, sie verstehen zu wollen.
Angstschweiß trat auf meine Stirn, wenn wir der Reihe nach auf die Fragen im Buch antworten mussten und ich mir ausrechnete, welche Frage meine sein würde. Eigentlich hätte ich mir das sparen können, denn ich brachte eh kaum mehr als ein hilfloses Gestotter heraus, was die Lehrerin nicht daran hinderte, ihr Lob noch zu steigern: „Baaardzo dobrze! Bardzo, baaardzo dobrze!“
Langsam dämmerte es mir, worin ihr pädagogisches Konzept bestand: Je schlechter der Beitrag, umso größer das Lob. Und ich bekam sehr viel Lob! Ein gutes Konzept, wie ich fand; verhinderte sie so doch, dass jemand ausstieg, dem Kurs fernblieb oder innerlich kündigte.
So blieb auch ich bis zum Schluss, bis zur letzten Stunde dabei. Mit einem großen Koffer voller Lob und einer Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme fuhr ich heim.
Die Bescheinigung zeigte ich der ersten Amtsperson, der ich bei meinem nächsten Polenbesuch begegnete, unaufgefordert vor.
„Co to jest?“, fragte der Mann; es war der Schaffner im Warszawa-Express, der anstelle meiner Bescheinigung wohl lieber ein gültiges Ticket gesehen hätte.
„To jest … to jest Dokument … to jest Dokument oficjalnie … to jest …“
Ich verstummte, und er runzelte die Stirn. Er sagte etwas, dass ich mit „Das ist nicht die Fahrkarte“ übersetzte.
„Zaraz, Moment“, bat ich um Geduld und suchte mein Ticket.
Er kniff es mit seiner Zange und reichte es mir mit einem Blick zurück, der so lang und intensiv war wie das „baaadrzo“ im Kurs der Sprachlehrerin.