Metanoia

Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen,

dem Allwissenden, dem Allsehenden, dessen Blick beständig auf mir ruht. Der mich durchschaut, mich beurteilt, in jedem Augenblick, immer und überall. Strafverfolger, Kläger und Richter. Sein Missfallen, seinen Zorn muss ich fürchten, mich zu Boden werfen, klein machen, zittern. Vor ihm muss ich mich anklagen, mich geißeln. Ihm muss ich bekennen.

Und allen Brüdern und Schwestern,

denen die waren, denen die sind, der Gemeinschaft, den Heiligen. Auch vor ihnen knie ich, werfe mich zu Boden vor jenen, die besser sind als ich. Ein geistiges Tribunal. Sie kennen mich, mein Leben, mein Handeln. Ich bin ein Teil der Gemeinde und doch habe ich am Rand zu stehen, der Letzte, das Letzte. Ihre Verachtung, ihr Urteil habe ich verdient. Öffentlich muss ich bekennen.

Dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe – ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken.

Ich habe nicht getan, was ich doch soll, genüge nicht dem Anspruch, dem Ideal. Bleibe zurück hinter Erwartungen, enttäusche beständig. Wem habe ich heute wieder die Hilfe verweigert? Was habe ich in meiner Ichsucht gar nicht erst bemerkt? Ich hätte mehr tun können, sollen, müssen. Besser sein. Was habe ich stattdessen getan? Eitelkeit, Geiz, Unkeuschheit, Wut, Völlerei, Neid, Faulheit. Lässliche Sünden, Todsünden, himmelschreiende Sünden.
Ich muss suchen, nur lange genug mein Gewissen erforschen und ich werde bestimmt fündig werden, muss bereuen, dass ich den Weg der Rechtschaffenheit verlassen habe. Endliches, Weltliches, Geschaffenes bevorzugte. Wieder habe ich mich mir zu- und von Gott abgewandt.
Meine Gedanken, viel zu oft habe ich sie nicht unter Kontrolle. Sie schweifen ab und ich mit ihnen. Zweifle, begehre, zürne. Meine Worte, oft schneller als mein Geist. Hinreißen lasse ich mich zu Gesprächen über Schlechtes, Sündiges. Fluche, bin ordinär, vielleicht sogar beleidigend. Meine Werke, meine Taten, geprägt von meiner Schlechtigkeit, meiner Unsittlichkeit. Wieder habe ich mich befleckt, mich der Lust hingegeben. Habe Genuss verspürt, meinem Gaumen gedient. Mich länger ausgeruht als notwendig. Wieder und wieder und wieder sündige ich.

Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine große Schuld.

Weil ich schlecht bin – durch meine Schuld – weil ich falsch bin – durch meine Schuld – weil ich sündig bin – durch meine große Schuld. „Denn in Schuld bin ich geboren, in Sünde hat mich meine Mutter empfangen.“ Gefangen bin ich in einem Teufelskreis, aus dem ich niemals entkommen können werde. An jedem Tag – durch meine Schuld – am Morgen und am Abend – durch meine Schuld – immer wieder – durch meine Schuld – mein ganzes Leben – durch meine Schuld – in Ewigkeit – durch meine Schuld…

ES REICHT, VERDAMMT NOCHMAL!!!

Heilige Scheiße, wie klein, wie erbärmlich soll ich mich denn noch machen? Wie tief in den Staub muss ich mich werfen, bis es endlich genug ist? Wessen Macht und Größe soll in dieser Weise gedient sein? Geht es um Gott oder um euch, die Vermittler?
Eine frohe Botschaft gebt ihr vor zu verkünden, mit der Drohung im Hintergrund. Freiheit predigt ihr und fordert ihre Überantwortung. Von bedingungsloser Liebe redet ihr, aber zieht doch deutliche Grenzen. Die Menschenwürde als Ebenbild Gottes lehrt ihr und doch ist die Hälfte der Menschheit nicht Ebenbild genug. Als inklusiv betrachtet ihr euch, doch kann man sehr schnell draußen sein. Von der Keuschheit… von dem Gegensatz schweige ich lieber.

Und immer wieder Schuld und Sünde, Sünde und Schuld, Erbschuld, Erbsünde; immer wieder soll ich vor euch knien, Vergebung erflehen, denn nur ihr habt das Heilmittel für die Krankheit, die ihr mir erst in den Kopf gepflanzt habt. Dieser institutionell perpetuierte Schuldkomplex muss endlich ein Ende finden, verbannt werden in den geistigen Giftschrank! Es reicht, verdammt nochmal.

Ich bekenne…

Mich zu meiner Menschlichkeit, zu meinen Fehlern und Schwächen. Ich weiß, ich bin nicht perfekt, aber ich bin gut so, wie ich bin. Wenn ich hinter meinem eigenen Anspruch zurückbleibe, dann darf ich mir selbst vergeben und an jedem neuen Tag wieder von vorn beginnen. Ich achte meine Grenzen und die meiner Mitmenschen, denn ich habe ein Gewissen, ein inneres Empfinden für Recht und Unrecht, diesem bin ich verpflichtet und keiner Institution.

Ich bekenne mich zu meiner Freiheit und zu der Verantwortung, die damit einhergeht, für mich selbst, meine Mitmenschen, meine Mitgeschöpfe und diesen Planeten. Ich weiß, ich kann die Welt nicht retten, aber ich kann sie ein kleines Stück besser machen und ich darf stolz sein, wenn ich meinen Beitrag dazu geleistet habe.

Ich darf aufrecht und gerade stehen, vor nichts und niemand muss ich knien, es sei denn ich will einen Schwanz in den Mund nehmen, oder auch zwei, wenn ich Bock drauf hab und alle Beteiligten einverstanden sind.

Denn ich bekenne mich zu meiner Sexualität, zu meiner Lustfähigkeit, ob ich nun Frauen oder Männer oder beides heiß finde, denn, so lange es auf Augenhöhe und im Konsens geschieht, sei es für eine Nacht oder alle Nächte, hat niemand auch nur das geringste Recht darüber zu urteilen! Nebenbei bemerkt, habe ich in meinem Leben mindestens eine Million Mal masturbiert und gedenke nicht im Geringsten damit aufzuhören, denn es ist wichtig, gesund und richtig auch und gerade sich selbst Lust zu schenken!

Ich bekenne mich zur Menschlichkeit, zu Respekt, Toleranz und der Würde jedes einzelnen Menschen und ich darf zornig sein und fluchen, wo auch immer Extremismus, Fanatismus, Rassismus oder andere Spielarten des Hasses, der Gewalt und Ungerechtigkeit meine Brüder und Schwestern in Gefahr bringen!

Dies kann ich bekennen, vor Gott, der die Liebe ist, und den Menschen, denen seine Liebe gilt, ohne Furcht, ohne Schuld, ohne Vermittler.

Name der Autorin/des Autors
Don Esteban (Stefan Klaus)
Metanoia

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